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BEM-Verfahren im Unternehmen: Rechte, Pflichten und Vorteile

Längere Krankheit bedeutet oft eine Herausforderung – sowohl für Beschäftigte als auch für Unternehmen. Hier setzt das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) an: Es soll erkrankte Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dabei unterstützen, wieder in den Job zurückzufinden. Doch wie genau funktioniert das Verfahren? Welche rechtlichen Grundlagen gibt es? Und worauf sollten Betriebe achten, um das BEM erfolgreich umzusetzen? Dieser Beitrag klärt die wichtigsten Fragen.


1. Was ist das BEM?

Das Betriebliche Eingliederungsmanagement (BEM) ist ein gesetzlich vorgeschriebenes Verfahren, das Arbeitgeber nach sechs Wochen krankheitsbedingter Fehlzeit innerhalb von zwölf Monaten anbieten müssen. Ziel ist es, gemeinsam mit den betroffenen Beschäftigten Lösungen zu finden, um erneute Erkrankungen zu vermeiden und den Arbeitsplatz langfristig zu sichern.

BEM ist keine Kündigungsvorbereitung, sondern eine Maßnahme zur Unterstützung der Arbeitnehmer. Es soll helfen, individuelle Lösungen zu entwickeln – sei es durch angepasste Arbeitszeiten, ergonomische Maßnahmen oder neue Tätigkeitsbereiche.

2. Gesetzliche Grundlagen: Was sagt das Gesetz?

Das BEM ist im § 167 Abs. 2 SGB IX verankert. Die wichtigsten Punkte:

  • Pflicht für Arbeitgeber: Unternehmen sind verpflichtet, jedem Mitarbeitenden mit mehr als sechs Wochen Fehlzeit ein BEM anzubieten.
  • Freiwilligkeit für Arbeitnehmer: Beschäftigte können das Angebot annehmen oder ablehnen – ohne negative Konsequenzen.
  • Datenschutz und Vertraulichkeit: Alle Informationen müssen vertraulich behandelt und gesondert von der Personalakte aufbewahrt werden.
  • Ziel ist die Wiedereingliederung, nicht die Kündigung: Das BEM soll den Arbeitsplatz erhalten und nicht auf eine Entlassung hinauslaufen.

Schwarzer Aktenordner mit Aufschrift "BEM – Betriebliches Eingliederungsmanagement", daneben ein Paragraphensymbol und eine goldene Waage als Symbol für rechtliche Aspekte.

3. Ablauf des BEM-Verfahrens

Ein strukturiertes Verfahren folgt in der Regel diesen Schritten:

SchrittErklärung
1. EinladungDer Arbeitgeber lädt den betroffenen Mitarbeiter schriftlich zum BEM-Gespräch ein.
2. ErstgesprächEs wird besprochen, ob der Arbeitnehmer das BEM-Verfahren nutzen möchte.
3. UrsachenanalyseAnalyse der gesundheitlichen Probleme im Arbeitskontext (freiwillige Angaben).
4. MaßnahmenplanungErarbeitung von Lösungen: z. B. angepasste Arbeitszeiten, ergonomische Maßnahmen, Unterstützung durch externe Stellen.
5. UmsetzungDie geplanten Maßnahmen werden umgesetzt und begleitet.
6. EvaluationNach einer gewissen Zeit wird überprüft, ob die Maßnahmen erfolgreich sind.

4. Praktische Umsetzung im Unternehmen

Damit das BEM erfolgreich funktioniert, sollten Arbeitgeber folgende Punkte beachten:

  • Frühzeitige Kommunikation: Transparente Information über das Verfahren, um Unsicherheiten zu vermeiden.
  • Individuelle Lösungen: Jedes BEM ist anders – die Maßnahmen sollten an die Situation des Mitarbeiters angepasst werden.
  • Externe Unterstützung nutzen: Betriebsärzte, Sozialversicherungen oder Integrationsämter können wertvolle Hilfestellung leisten.
  • Betriebsrat einbinden: Falls vorhanden, sollte der Betriebsrat in den Prozess integriert werden.
  • Datenschutz sicherstellen: Alle Daten müssen getrennt von der Personalakte aufbewahrt werden.

5. Vorteile des BEM für Unternehmen und Beschäftigte

Für Arbeitnehmer:

  • Erleichterter Wiedereinstieg nach Krankheit
  • Anpassung des Arbeitsplatzes an gesundheitliche Bedürfnisse
  • Vermeidung erneuter Ausfälle

Für Arbeitgeber:

  • Reduzierung von Fehlzeiten und Kosten
  • Erfüllung gesetzlicher Pflichten (Vermeidung von Abmahnungen)
  • Förderung einer gesunden Unternehmenskultur

Freundliche Frau in Business-Kleidung schüttelt die Hand eines Gesprächspartners in einem Büro, während zwei Kollegen im Hintergrund beobachten – Symbol für ein gelungenes BEM-Gespräch.


Praxisbeispiel: So half das BEM einer Mitarbeiterin zurück in den Job

Miriam S., 42 Jahre alt, arbeitet seit zehn Jahren in der Verwaltung eines mittelständischen Unternehmens. Nach einer schweren Bandscheiben-OP war sie sechs Monate krankgeschrieben. Ihr Arbeitgeber bot ihr daraufhin ein BEM-Gespräch an. Anfangs war Miriam skeptisch – sie befürchtete, dass es nur eine Formalie sei.

Doch das Gespräch verlief anders als erwartet. Gemeinsam mit der Personalabteilung und dem Betriebsarzt wurden Lösungen erarbeitet:

  • Ergonomischer Arbeitsplatz: Höhenverstellbarer Schreibtisch und orthopädischer Bürostuhl
  • Reduzierte Arbeitszeit: Start mit 20 Stunden pro Woche, schrittweise Steigerung
  • Homeoffice-Regelung: Zwei Tage pro Woche, um die Belastung zu reduzieren

Nach drei Monaten konnte Miriam wieder voll arbeiten – ohne gesundheitliche Rückschläge. Ihre Erfahrung zeigt: Ein gut umgesetztes Betriebliche Eingliederungsmanagement hilft nicht nur dem Unternehmen, sondern vor allem den Mitarbeitenden.


Experten-Interview: Einblick aus der Praxis

Für eine fachliche Perspektive haben wir mit Dr. Anna Schmidt, Fachanwältin für Arbeitsrecht, gesprochen.

Frau Dr. Schmidt, warum gibt es so viele Vorbehalte gegenüber dem BEM?
Viele Beschäftigte befürchten, dass das BEM eine Vorbereitung auf die Kündigung ist. Dabei soll es genau das Gegenteil bewirken: den Arbeitsplatz erhalten und erneute Erkrankungen vermeiden.

Welche Rechte und Pflichten haben Arbeitnehmer?
Arbeitnehmer können das BEM ablehnen, ohne Konsequenzen befürchten zu müssen. Nehmen sie teil, müssen sie keine Gesundheitsdaten preisgeben. Sie haben aber das Recht, eigene Vorschläge für Maßnahmen einzubringen.

Wie läuft ein gutes BEM-Verfahren ab?
Der Arbeitgeber lädt den Mitarbeiter schriftlich ein. Im Gespräch werden mögliche Anpassungen besprochen – z. B. ergonomische Verbesserungen, flexible Arbeitszeiten oder eine stufenweise Wiedereingliederung.

Was passiert, wenn das BEM scheitert?
Findet sich keine Lösung, bleibt das Verfahren ergebnisoffen. Allerdings kann ein nicht durchgeführtes oder schlecht dokumentiertes BEM später problematisch für den Arbeitgeber sein, etwa bei Kündigungsschutzprozessen.

Welche typischen Fehler machen Unternehmen beim BEM?
Dr. Schmidt: Häufig wird das BEM nur als Pflichtaufgabe gesehen und nicht individuell auf den Mitarbeiter abgestimmt. Ein weiteres Problem ist mangelnde Transparenz – wenn Arbeitnehmer nicht wissen, worum es geht, entsteht Misstrauen. Auch Datenschutzverstöße sind ein häufiger Fehler.

Ihr wichtigster Tipp für Arbeitgeber und Arbeitnehmer?
Arbeitgeber sollten offen und transparent kommunizieren. Arbeitnehmer sollten das BEM als Chance verstehen – in den meisten Fällen profitieren sie davon.


So gelingt ein erfolgreiches BEM

BEM ist kein bürokratischer Akt, sondern eine echte Chance zur Unterstützung erkrankter Mitarbeiter. Unternehmen profitieren von geringeren Fehlzeiten, während Beschäftigte individuell angepasste Lösungen erhalten. Entscheidend ist eine vertrauensvolle Kommunikation und eine strukturierte Umsetzung. So wird das Betriebliche Eingliederungsmanagement zu einer Win-Win-Situation für alle Beteiligten.

Bildnachweis: MQ-Illustrations, Robert Kneschke / Adobe Stock